Aussitzen geht nicht – Rede von Harald Grünau zur Verabschiedung des Kreishaushalts 14. Dezember 201514. Dezember 2015 Harald Grünau Was für ein Jahr liegt hinter uns! – Und was für eins vor uns? Vielleicht geht es Ihnen ja auch so – mir fällt es dieses Jahr schwerer als sonst, mich auf das normale Haushaltsberatungen-Geschäft zu konzentrieren. Business as usual angesichts von 1 Mio Flüchtlingen in unserem Land und mehr als 5000 davon in unserem Kreis – das geht nicht. Herr Landrat, heute vor genau 10 Tagen haben sie eine sehr bemerkenswerte Rede gehalten. In Salzkotten haben einige Dutzend Wirrköpfe der rechtsgerichteten und fremdenfeindlichen AfD versucht, mit den Sorgen der Bevölkerung ihr populistisches Süppchen zu kochen. Mehr als tausend Menschen aus allen Bereichen des Kreises Paderborn haben sich ihnen entgegen gestellt und ein starkes Bekenntnis für Toleranz und friedliches Zusammenleben abgegeben. Vor einem Publikum, dass überwiegend ganz sicher nicht ihrer sonstigen politischen Zielgruppe entspricht, haben Sie, Herr Landrat, deutliche Worte gefunden. Sie haben sich explizit gegen rechtes Gedankengut im Umgang mit Fremden in unserem Land ausgesprochen – und dafür gebührt Ihnen Respekt. In Zeiten, in denen bei einigen Politikern, auch aus ihrer Partei mit dem stolzen „C“ im Namen, der Wertekompass etwas ins Schlingern zu geraten scheint, haben Sie auf die urchristliche Tradition der Menschen- und Nächstenliebe hingewiesen – auch darauf, dass Jesus Christus selbst seinen Lebensweg als Flüchtling begonnen hat. Und sie haben klargestellt, dass bei allen Herausforderungen, die wir auch im Kreis Paderborn in dieser Frage zu bewältigen haben, bei uns von Flüchtlingschaos keine Rede sein kann. Es gibt bei uns keine offene Fremdenfeindlichkeit, stattdessen sehr viele Menschen, die als Ehrenamtliche dazu beitragen, dass wir alle – Bürgerinnen, Bürger und Hauptamtliche, Hilfsorganisationen, Politik und Verwaltung – dass wir alle diese große Aufgabe bewältigen können. Danke für diese Rede, Herr Landrat! Auch der Stellenplan des Kreises steht 2016 im Zeichen der Flüchtlingssituation. Es ist gut, dass wir neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter extra für diesen Bereich einstellen wollen. Zum Antrag der CDU-Fraktion dazu ist zu sagen: natürlich soll der Stellenbedarf unter Zugrundelegung der Fallzahlenentwicklung evaluiert werden. Dass diese Stellen auf absehbare verzichtbar wären und somit entfallen könnten, ist aber doch eher frommes Wunschdenken der CDU. Klimaschutzmanagement intensivieren Aber auch beim Stellenplan ist Flüchtlingspolitik nicht alles. Bei der Amtseinführung der neuen Klimaschutzmanagerin des Kreises haben Sie, Herr Landrat, völlig zu recht auf die existenzielle Bedeutung des Klimaschutzes hingewiesen. Die Weltklimakonferenz in Paris hat gezeigt, dass es jetzt richtig eng wird, wenn der globale Klimakollaps noch verhindert werden soll. Als grüne Fraktion ist es uns daher besonders wichtig, die Stelle der Klimaschutzmanagerin – die im abgelaufenen Jahr über ein halbes Jahr lang nicht besetzt war, auf Dauer zu verstetigen. Für den Stellenplan 2016 hat dies noch keine direkte Auswirkung, wir werden aber gleich zu Beginn des kommenden Jahres eine entsprechende Initiative in den Kreistag einbringen. Im selben Zusammenhang steht auch unser Antrag für die Erarbeitung eines Konzeptes zur Förderung und Errichtung von Solartankstellen im Kreisgebiet. Wir freuen uns, dass sich nun nach und nach alle Kreiskommunen auf den Weg machen, um eigene Klimaschutzkonzepte zu erstellen. Da wollen wir auch gar nicht zwischenfunken. Im Gegenteil, in unserem Antrag heißt es ausdrücklich: „in Absprache mit Städten und Gemeinden sind geeignete Standortvorschläge für Solartankstellen zu machen“. Allerdings hat sich in fünf Jahren Klimaschutzkonzept des Kreises einiges an Expertise angesammelt, wovon auch die Kommunen profitieren können. Wir werden unsere Klimaziele nicht erreichen können, wenn wir nicht endlich auch beim Thema Verkehr „in die Puschen“ kommen. Gerade bei der Elektromobilität gibt es noch sehr viel zu tun! Im weitesten Sinne mit Klimaschutz hat auch unser Antrag zur Förderung der Umweltbildung zu tun – aber eben nicht nur: Umwelt- und Naturschutz werden immer wichtiger. Allein schon der dramatische Artenschwund: für unser tägliches Erleben vollzieht der sich leider noch heimlicher als der Klimawandel, in seiner Bedeutung steht er ihm aber in nichts nach. Man muss Politiker-Stereotypien nicht mögen, aber wenn unser Umweltminister immer wieder davor warnt, „wir sind dabei die genetische Festplatte unserer Erde zu löschen“, so ist dass leider ein sehr treffendes Bild, für das, was sich um uns herum gerade abspielt. Insofern war der Hinweis aus dem Kreisausschuss zu den bereits existierenden Projekten und Institutionen im Bereich Umweltbildung zwar richtig. Wir meinen aber, dass der Kreis, als für die unterste Ebene des staatlichen Naturschutzes zuständige Behörde hier auch in der Pflicht ist, selbst aktiv zu werden. Wir haben da auch eine Vorbildfunktion. Nur bitte, liebe CDU: nicht auf Maßnahmen der Umweltbildung verzichten, nur aus der Angst heraus, dass Kindern und Jugendlichen dann vielleicht der Sinn und Nutzen eines Nationalparks noch deutlicher werden kann… Natonalpark Senne bedeutet zukunftfähige Regionalentwicklung Wo wir gerade dabei sind: Was steht uns 2016 noch bevor? Der Abzug der britischen Streitkräfte aus der Senne rückt unaufhaltsam näher – das steht fest. Da grenzt es schon an Realitätsverlust, wenn das Einzige was der Kreistagsmehrheit dazu einfällt eine Resolution und eine Eingabe zum Landesentwicklungsplan ist, mit dem Ziel den Nationalparks zu verhindern. In der Stadt Paderborn muss man gerade lernen, auch weil man lange geschlafen hat, die mit der Konversion verbundenen Aufgaben quasi als Crashkurs umzusetzen. Wenn die CDU-Fraktion sich nun weiterhin weigert, Konzepte für die Zeit nach der militärischen Nutzung überhaupt nur zu diskutieren, dann müssen Sie schon selbst aktiv werden, Herr Landrat. Destruktion kann jedenfalls keine politische Haltung sein und Aussitzen ist in diesem Fall sicher kein Erfolgsmodell! Wir als Grüne werden jedenfalls weiter für das Projekt streiten, das als Einziges eine zukunftsfähige Regionalentwicklung mit den gesetzten Vorgaben des Naturschutzes vereint – und das ist der Nationalpark Senne! RWE und die Vernichtung des Kreisvermögens Noch so ein spannendes Thema, dass uns im vergangenen Jahr beschäftigt hat, und das wir mitnehmen nach 2016, ist RWE. Der Verlust des Kreises betrug allein im Kalenderjahr 2015 bis heute rund 20 Mio Euro. Herr Landrat, ich mache Sie nicht für den Niedergang der RWE-Aktie verantwortlich. Aber die Art und Weise, wie Sie mit mit dieser Vernichtung von kreiseigenem Vermögen umgegangen sind – war zumindest konzeptionslos! Unsere Fraktion hat mehrmals Anträge eingebracht, die darauf zielten, das Risiko zumindest zu minimieren. Leider weigerten Sie und mit Ihnen die CDU-Mehrheit sich, sowohl wenigstens einen Teil des unseligen Aktienpakets zu veräußern als auch sich strukturell so aufzustellen, dass man auf Kurseinbrüche zumindest kurzfristig angemessen reagieren kann. Hinzu kommt eine absolut mangelhafte Informationspolitik. Das wurde nicht dadurch besser, dass der Vorstandsvorsitzende des Konzerns, Herr Dr. Neuhaus, noch vor einem ¾-Jahr in diesem Kreistag genau das Gegenteil über die Konzernentwicklung erzählt, was jetzt passiert. Heute erfahren wir über den Konzernumbau durch die Medien. Wie dabei die Positionierung der kommunalen Aufsichtsratsmitglieder war, bleibt völlig im Dunkeln. Ist der Kreis nach seiner Meinung gefragt worden? Hat er überhaupt eine Meinung? Und hatte er ein Interesse diese auch einzubringen? Schließlich war die Wahrung der kommunalen Interessen immer ein wichtiges Argument dafür, die Konzernanteile zu halten. Herr Landrat, es geht um unser Geld – und nicht wenig davon (!) – und der Kreistag hat ein Recht darauf, von Ihnen über solche Dinge informiert zu werden. Wir werden jedenfalls auch im Jahr 2016 nicht locker lassen, dieses Recht einzufordern. Zu den Anträgen unserer Fraktion: An der Idee, über das Jahr verteilt eine Reihe von eintrittsfreien Tagen im Historischen Museum des Hochstifts Paderborn in der Wewelsburg zu veranstalten halten wir fest – weil wir davon überzeugt sind, dass es eine gute Idee ist! Wir denken nicht nur, dass wir den Besucherkreis damit erweitern können, und zwar gerade auch um Personen, die sonst vielleicht nicht auf die Idee eines Museumsbesuchs kämen. Wir eröffnen darüber hinaus dem Kreismuseum auch die Möglichkeit, sich mehrfach im Jahr mit einer sozialen Komponente in der Öffentlichkeit werbewirksam darzustellen. Der möglich finanzielle Verlust ist überschaubar, der Kreisdirektor bezifferte ihn in der Kreisausschusssitzung überschlagsmäßig auf rund 2.500 €. Der Nutzen kann dagegen erheblich sein wenn man es richtig anpackt – und das trauen wir unserer Museumsleitung auch zu, in einem ersten Gespräch war die Leiterin jedenfalls durchaus interessiert. Dass man beim LWL mit einem ähnlichen Projekt keine guten Erfahrungen gemacht hat, dürfte vor allem an der mangelnden Kommunikation liegen. Ich habe zum Beispiel, als kulturinteressierter Bürger, niemals etwas von eintrittsfreien Tagen in den LWL-Museen gehört. Um zu vermeiden, dass ein sinnvolles Projekt zur Kulturförderung bei der heutigen Haushaltsberatung vorschnell abgelehnt wird, ziehen wir den Antrag allerdings vorerst zurück um ihn im kommenden Jahr im Kreistag und im Fachausschuss noch intensiver beraten zu können. Beim Thema Senkung der Kreisumlage durch Inanspruchnahme der Ausgleichsrücklage haben wir im Kreis- und Finanzausschuss eine wahrlich Kabarett reife Vorstellung erlebt. Fünf von sechs Fraktionen wollten die Kreisumlage zugunsten der stark belasteten Städte und Gemeinden absenken. Und zwar – natürlich – ausgehend von dem Betrag, den uns der Landrat bei der Einbringung des Haushaltsentwurfes präsentiert hat. Und was macht die CDU-Fraktion? Sie rechnet die angekündigten Mehrausgaben im Haushalt in Höhe von 1,3 Mio € dagegen, will diese Summe aus der Ausgleichsrücklage entnehmen und nennt das eine Absenkung der Kreisumlage. Gleichzeitig stellt sie diejenigen, die nur einen geringeren Betrag aus der Ausgleichsrücklage entnehmen wollen, so hin als wollten sie die Kreisumlage noch erhöhen anstatt zu senken! Letztlich war die Konfusion, die die CDU zusammen mit dem Landrat angerichtet hat, so komplett dass selbst antragstellende Fraktionen in ihrer Verwirrung diesen Zahlentricksereien zugestimmt haben. Unsere Fraktion macht da nicht mit. Wir bleiben weiterhin bei unserem Antrag, die Kreisumlage um 1,2 Mio € zuzüglich eventueller Einsparungen durch eine verminderte Landschaftsumlage zu senken, ausgehend von den ursprünglichen, bei der Haushaltseinbringung genannten Beträgen. Unsere Ausgleichsrücklage gibt das her und die Kreiskommunen sind auf das Geld angewiesen. Zu unserem Antrag Psychosoziales Unterstützungsnetz: die Grüne Fraktion hat in der laufenden Kreistagsperiode die Berufskollegs mehrfach besucht. In den Gesprächen mit den Schulleitern ist der Bedarf nach einem schulpsychologischen Angebot für die fast 8.000 Schülerinnen und Schüler am Maspernplatz deutlich geworden. Es gibt ein Konzept und Gespräche zu einer Übernahme der Personalkosten durch das Land – die allerdings noch nicht abgeschlossen sind. Die Jugendlichen befinden sich vor dem Eintritt in das Berufsleben in seiner sehr sensiblen Altersphase. Wir halten es daher für geboten, die beabsichtigte Schulpsycho-logenstelle mit einem Zuschuss zu den Sach- und Raumkosten in Höhe von 6.500,– € zu unterstützen. Bis zum letztendlichen Vertragsabschluss mit dem Land kann dieser Zuschuss mit einem Sperrvermerk versehen werden. Die Fachberatungsstelle für Opfer von Menschenhandel NADESCHDA, der Evangelischen Frauenhilfe Westfalen wollen wir mit dem bescheidenen zusätzlichen Betrag von 2.500,– € pro Jahr fördern. Zwangsprostitution und Menschenhandel sind auch ein Thema in OWL und auch im Kreis Paderborn. Mit diesem Antrag erkennen wir die außerordentlich gute und wertvolle Arbeit von Nadeschda an. Das sollte uns nicht weniger wert sein als anderen Kreisen in Ostwestfalen-Lippe. Und dass die Beratungsstelle in diesem Jahr nicht wieder selbst einen Antrag auf Erhöhung der Förderung gestellt hat, hat nichts damit zu tun, dass der Bedarf etwa geschwunden sei, im Gegenteil. Es dürfte eher in den frustrierenden Erfahrungen der letzten Jahre mit solchen Förderanträgen an den Kreis Paderborn begründet sein. Meine Damen und Herren, wir machen Ihnen einen Vorschlag zur Gegenfinanzierung dieser Mittel: Unser Antrag zur Senkung der Zuwendung an die Fraktionen ist nicht, wie im Kreisausschuss so ein bisschen hämisch angeklungen, populistisch. Ich glaube auch nicht, dass die Bürgermeister des Kreises, die uns mit Blick auf die Kreisumlage immer wieder zur Sparsamkeit ermahnen, das so sehen. Der Antrag soll viel mehr ein Zeichen setzen, dass auch die Abgeordneten des Kreistages verstanden haben, dass Sparsamkeit das Gebot der Stunde ist. 10% weniger tun den Fraktionen nicht weh und – um wieder auf Nadeschda zurück zu kommen – so nebenbei könnte die Erhöhung des Zuschusses dadurch drei mal finanziert werden. Ich komme zu den Förderanträgen der Verbände und den Anträgen der anderen Fraktionen. Zu PRO FAMILIA ist alles gesagt. Die erfolgreich arbeitende Paderborner Beratungsstelle erhält heute von der Mehrheitsfraktion ein Begräbnis dritter Klasse! Die CDU hat damit endlich erreicht was von Anfang an das Ziel ihrer konservativen, rückwärtsgewandten Familienpolitik war: sie zerstört allein aus ideologischen Gründen ein Beratungsangebot, das vielen Bürgerinnen und Bürgern des Kreises in langen Jahren eine wichtige Unterstützung und Hilfe gewesen ist. Und das in einer Zeit, in der absehbar mit einem zunehmenden Beratungsbedarf zu rechnen ist, der von christlich-konfessionellen Beratungsstellen gerade nicht abzudecken ist. Wir Grüne halten das für verantwortungslos! Die Unterstützung Kreissportbundes muss man dagegen als üppig bezeichnen. Und das ohne Förderantrag – jedenfalls liegt den Kreistagsfraktionen keiner vor. Liebe Kollegen von der CDU: Sie haben sich offenbar im persönlichen Gespräch davon überzeugen lassen, dass diese Fördermaßnahme dringend nötig ist. Und trotzdem – die Art und Weise, wie sie das hier durchziehen, wie sie die anderen Fraktionen bei einem Betrag von immerhin fast 60.000 € komplett außen vor gelassen haben – das ist Politik nach Gutsherrenart. Leider sind wir das hier schon gewohnt. Um wenigstens einen Teil der Summe zu retten, wollen wir als Grüne alles daran setzen, zumindest für die Jahre 2017 und 2018 den Förderbetrag aus Landesmitteln erstattet zu bekommen. Bis das geklärt ist wollen wir die Mittelbereitstellung für den genannten Zeitraum mit einem Sperrvermerk versehen. Den Antrag der SPD zur Einrichtung einer Fahrradparkanlage finden wir gut. Hätte glatt von uns sein können! Wichtig wäre nur, dass man bei einer solchen Anlage auch an entsprechende Ladestationen für E-Bikes denkt. Elektromobilität ist schließlich nicht nur für Autos. Die Anträge der AWO zum Mehrgenerationenhaus des Sozialdienstes Katholischer Frauen zur Beratungsstelle Belladonna von KIM zur Männerberatungsstelle sowie von der Caritas für das Psychosoziales Zentrum für traumatisierte Flüchtlinge tragen wir mit, ebenso den Antrag der CDU-Fraktion zur Unterstützung des DLRG-Bezirks Hochstift Paderborn. Die Anträge der FBI-Fraktion zur Streichung der Investitionsmaßnahme am Bauhof Klausheide sowie zur Reduzierung der Zuführungen zur Pensionsrückstellung lehnen wir dagegen ab. Wir bedanken uns bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung für die immer engagierte und freundliche Unterstützung und bei Ihnen, Herr Landrat und Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen für die gute Zusammenarbeit und die faire politische Auseinandersetzung. Die Grünen wünschen ein Frohes Fest und ein gutes neues Jahr 2016.
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