Offenen Fragen bei Klimaschutz und Schulsozialarbeit – aber Sälzer Haushalt ist insgesamt tragfähig

In seiner Haushaltsrede zog Marc Svensson, Fraktionsvorsitzender der Salzkottener Grünen eine Bilanz des politischen Jahres: Insgesamt tragfähig sei der Etat, aber durchaus ausbaufähig. Er kündigte weitere Vorschläge aus der Sälzer Fraktion für konkrete Klimaschutzmaßnahmen an und kritisierte die mangelnde Schulsozialarbeit. Seine Rede im Wortlaut:

„Vielen von Ihnen wird es so gehen wie mir: Ich kann das Wort mit dem „C“ vorne nicht mehr hören. Nach dem zweiten Pandemie-Jahr stellt man uns jetzt auch noch ein drittes in Aussicht. Neben gesundheitlichen Auswirkungen hat das Virus auch in diesem Jahr den Sitzungsbetrieb und die politische Arbeit eingeschränkt. Die Auswirkungen auf uns als Gesellschaft waren noch viel verheerender, ich denke hier besonders an die Kinder und Heranwachsenden.

Trotz Pandemie halte ich es für falsch unsere Haushaltsreden nur an das Sitzungsprotokoll zu heften. Wir sind als Lokalpolitiker:innen keine besonders geschützte Spezies. Unsere Kinder müssen täglich in Kita und Schule, mit Maske – auch im Sportunterricht. Diese Zumutungen werden größtenteils klaglos ertragen.

Man sollte sich als Lokalpolitik bestimmt nicht für zu wichtig nehmen, aber ein Haushalt mit einem Volumen von 56 Millionen Euro ist alles andere als eine Spaßveranstaltung und lässt sich ohnehin nicht in einer Videokonferenz beschließen. Haushaltsreden sind zudem seltene Gelegenheiten im Jahr, zu denen es mal kurz grundsätzlich werden darf.

Ich versuche der Situation gerecht zu werden und beschränke mich wie die Kolleginnen und Kollegen vor mir auf ein paar Schlaglichter:

Im Februar wurde auf unseren Antrag hin beschlossen, dass die Klimawerkstatt in den digitalen Modus wechselt. Das ist dann auch geschehen, allerdings liegen uns noch immer keine konkreten Maßnahmen vor, die im kommenden Jahr umgesetzt werden können. Bei der Dramatik, mit der sich die Klimakrise entwickelt, ist das absolut unverständlich. Nur kurz zur Erinnerung: Deutschland ist mit großem Abstand der größte CO2-Emmitent in der Europäischen Union. Die Klimakrise ist kein Unfall, sondern eine politische Entscheidung. Auch wenn es vielen zu wenig vorkommt: Das Klimaschutzbudget für 2022 hat sich gegenüber dem Vorjahr auf 250.000€ mehr als verdoppelt. Positiv, aber wir konnten schon 100.000€ nicht annähernd ausgeben. Von messbaren Effekten auf unsere CO-Bilanz brauchen wir nicht weiter zu sprechen – es gibt keine.

Das Budget von 50.000€ zur Umsetzung von Projekten aus dem Mobilitätskonzept feiert eine Premiere im Haushalt. Wir hatten das bereits im letzten Jahr gefordert – damals noch ohne Erfolg. Wofür die Mittel eingesetzt werden, ist auch in diesem Fall noch offen.

Im Juni haben wir intensiv über den Familienpass der Stadt Salzkotten diskutiert und über Möglichkeiten, die Pandemiefolgen für Kinder- und Jugendliche zumindest etwas abzufedern. Mehrheitsfähig war am Ende nur eine Reduzierung der Eintrittsgelder in unserem Freibad um 50% für Familien ab 2 Kindern. Die Regelung wurde in der Sitzung von der Union noch spontan auf 1 Jahr befristet.

Bleibt zu hoffen, dass uns im nächsten Jahr gemeinsam der große Wurf gelingt und wir es schaffen einen Familienpass auf den Weg zu bringen, von dem hoffentlich alle Kinder in der Stadt profitieren können – und das nicht nur im Freibad. 530.000 € fließen allein im kommenden Jahr in die digitale Ausstattung der städtischen Schulen – 90% davon sind Fördermittel.

Mindestens genauso bemerkenswert finde ich, dass unser Haushalt für das kommende Jahr erstmals Mittel in Höhe von 5.000€ zur Etablierung eines Jugendparlaments und eine zusätzliche halbe Stelle dafür vorsieht. Außerdem stehen noch 10.000€ für die Ausgabe von Sportgutscheinen an Erstklässler im Haushalt. Hier sind zwar noch einige Detailfragen offen, aber am Geld muss das Vorhaben schon mal nicht scheitern.

Dieses Jahr hat erneut gezeigt, dass es uns als GRÜNE gelungen ist, die bestimmenden politischen Themen zu setzen. So sind zum Beispiel aus unseren Ideen und Anträgen die Regenwassernutzung und den Baumschutz zu fördern, Förderrichtlinien geworden. Die Programme wurden im Haushaltsplan mit insgesamt 35.000€ gut ausgestattet. Auch das Thema Schottergärten wurde von der Union im Rahmen einer Förderrichtlinie aufgegriffen – wenn auch anders als von uns ursprünglich geplant, denn den Rückbau von Schottergärten zu belohnen, ist in etwa so, wie Einkaufsgutscheine an Falschparkende zu verteilen. Die Landesbauordnung ist in diesem Punkt sehr klar – nur schaut der Kreis Paderborn als zuständige Aufsichtsbehörde auch gern mal weg.

Noch ein paar Worte zum Kreis Paderborn, der ja auch für unseren Straßenverkehr zuständig ist: Bei unseren Mobilitätskongressen verweigert der Kreis die Mitarbeit und hat gegenüber unserer Verwaltung klar durchblicken lassen, dass man zur Teilnahme nicht bereit ist – ganz egal wann die Kongresse stattfinden. Da frage ich mich schon, Herr Berger, warum Sie das eigentlich tolerieren. Auf der einen Seite beklagen auch Sie zusammen mit Ihren Kolleginnen und Kollegen den stetigen Anstieg der Kreisumlage, lassen aber auf der anderen Seite dem Kreis, der durch uns mitfinanziert wird, seine dreiste Arbeitsverweigerung durchgehen.

Im September haben wir als GRÜNE zum ersten Mal im Bau- und Planungsausschuss eine Fahrradstraße im Ölweg thematisiert – jetzt kommt sie, zunächst im Rahmen eines Verkehrsversuchs. Ebenfalls im September ist es uns nach mehreren Vorstößen gelungen, für eine direkte Förderung unserer Stadtbusse eine Mehrheit zu finden. Laut Beschluss soll ab Januar ein Rückvergütungssystem eingeführt werden, welches den Preis für Stadtbusfahrten rückwirkend auf 1€ reduziert; Schnellbusfahrten sollen auf diesem Wege um 25% günstiger werden. Das ist zugegeben nicht gerade ein eleganter Weg – allerdings aufgrund der rechtlichen Hürden und Unwägbarkeiten derzeit alternativlos. Für Förderung und Marketing unseres Busverkehrs sieht unser Haushalt erneut insgesamt 35.000€ vor. Dieser Ansatz sollte fürs Erste ausreichen.

Aus unserem Antrag aus dem letzten Jahr, die Verkehrssicherheit im Umfeld von Schulen und Kitas zu verbessern, sind in Scharmede Salzkottens erste „Berliner Kissen“ geworden. Die werden zwar von einigen Anwohnern als störend empfunden, stoßen aber bei den Eltern der Kinder auf breite Zustimmung – weil sie funktionieren und jetzt langsamer gefahren wird! Dass sich auch in Tudorf im kommenden Jahr etwas in puncto Schulwegsicherheit tut, begrüßen wir sehr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Jahr für Jahr beraten und streiten wir darüber, in welchem Umfang Schulsozialarbeit an unseren Grundschulen notwendig ist. Dass Kinder und Heranwachsende besonders unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie leiden, sagte ich schon. Überall herrscht ein breiter Konsens, dass stärker in Prävention und Vorsorge investiert werden muss.

Konsens Überall? Nein, in Salzkotten sieht man das anders. Auch auf Rückfrage hat man uns bestätigt, dass man eine Fachkraft für Sozialarbeit zur Betreuung von 690 Kindern für ausreichend hält oder anders ausgedrückt – pro Fachkraft müssen in einer Stunde 17 Kinder in den Blick genommen werden. Daran soll auch Corona nichts ändern, auch dann nicht, wenn eine 80%-Förderung der Personalkosten in Aussicht steht. Unser Hinweis, dass Fachverbände einen mehr als 4-mals so hohen Personaleinsatz empfehlen und die Tatsache, dass in der Gesamtschule für die gleiche Schüler:innenzahl fast eine ganze Stelle mehr zur Verfügung steht, sind verpufft.

Unser Ansatz hier vor Ort, die Schulsozialarbeit an das Jube und damit an die Jugendhilfe anzudocken ist auf jeden Fall gut und zukunftsfähig. Das ändert aber nichts daran, dass Schulsozialarbeit in erster Linie an den Schulen stattfinden muss. Das sagen übrigens nicht wir Grüne, sondern das Sozialgesetzbuch. Unser Antrag zur Einrichtung einer weiteren Stelle für die Schulsozialarbeit an Grundschulen fand bei den Haushaltsberatungen demzufolge keine Mehrheit.

Bei unserer Forderung sprechen wir von Mehrkosten von geschätzt 80.000€, welche sich im Falle einer Landesförderung auf einen Anteil von 20% reduzieren ließen. Wir halten das für eine dramatische Schieflage. Die Mittel wären so oder so vorhanden – Salzkotten steht finanziell gut da. Unsere Ausgleichsrücklage ist trotz Pandemie mit 11,1 Mio. € auf einen neuen Höchststand angewachsen – geplant war ein Abfluss von 1,8 Mio. €. Corona war hier übrigens schon eingepreist.

Meine Damen und Herren, liebe Zuhörende,

auch wenn die Zeit für einen Bürger:innenwald im Rat der Stadt noch nicht reif ist und trotz der vielen offenen Fragen, wie die Mittel für Klimaschutz und Mobilität konkret ausgegeben werden sollen, halten wir unseren Haushalt, als finanzielles Gerüst für das kommende Jahr, für tragfähig. Vorschläge für konkrete Klimaschutzmaßnahmen werden Sie von uns erneut zu Jahresbeginn in den entsprechenden Fachausschüssen hören.

Zudem haben wir die Hoffnung, dass durch den geplanten Radwegeneubau im Industriegebiet Berglar, dem Verkehrsversuch im Ölweg und den Schutzstreifen an der Wewelsburger Straße die Verkehrswende langsam aber sicher Fahrt aufnimmt.

Wir werden daher dem Haushaltsplan für das Jahr 2022 zustimmen.

Zum Schluss möchte ich mich bei Ihnen, Herr Bürgermeister, der Verwaltung und den Fraktionen der demokratischen Parteien im Stadtrat für die gute Zusammenarbeit bedanken. Im Namen der Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen wünsche ich Ihren Familien und Ihnen trotz der erneut besonderen Umstände ein frohes Weihnachtsfest und einen gutes Jahr 2022.

Bleiben Sie gesund und vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!“