Daniel Freund: So gefährlich sind die drei neuen Rechtsfraktionen in Brüssel

Die gute Nachricht vorab: Es wird im Europaparlament auch in dieser Legislatur keine vereinte Fraktion aller Rechtsaußen-Parteien in Europa geben. Die viel beschworene “Frankenstein-Fraktion” aller europäischer Rechtspopulisten scheitert auch diesmal wieder an – Überraschung – Machtfragen und nationalen Befindlichkeiten. Dennoch gibt es im neuen Europaparlament mehr Rechtsaußen-Abgeordnete, als bisher. Mit mehr Gestaltungsmacht wird das nicht zwangsläufig einhergehen. Denn auch wegen der AfD splittern sich Europas Rechte von zwei auf drei Fraktionen auf. Und in zahlreichen Punkten dürfte es im Europaparlament weiterhin eine halbwegs funktionierende Brandmauer geben. Das Wichtigste zu den Rechtsaußen-Fraktionen im Europaparlament und der Frage, wo die Brandmauer hält, und wo sie bröckelt:

Melonis Postfaschisten & Polens Rechtsstaatsfeinde: Die EKR

Europas Konservative und Reformer haben bei der Europawahl hinzugewonnen und sind nunmehr viertstärkste Kraft. Zur Fraktion gehören neben den Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni auch die polnische PiS-Partei und die tschechische Regierungspartei ODS. Einige Konservative (EVP) wollen hier Mitgliedsparteien identifiziert haben, mit denen man kooperieren möchte, da sie angeblich drei Bedingungen erfüllen: pro-Rechtsstaat, pro-EU, pro-Ukraine. Unsere Auswertung des Abstimmverhaltens hat allerdings ergeben, dass kein Abgeordneter diese Bedingungen erfüllt. Die EVP hat sich klar gegen eine Brandmauer gegenüber der EKR gestellt und bei der Wahl der Vizepräsidenten des Parlaments mit dafür gesorgt, dass jetzt 2 Vizepräsidenten des Parlaments aus der EKR kommen. Auch zwei Ausschussvorsitzende wird sie wohl bekommen. 

Zustand der Brandmauer: kollabiert

Sammelbecken der Putinversteher: Die Patriots for Europe

Zugegebenermaßen: Viktor Orban ist im Europaparlament eine Überraschung gelungen. Nach Jahren der Fraktionslosigkeit seiner Fidesz-Partei führt diese nun die drittgrößte Fraktion im Europaparlament an. Die neu gegründeten Patriots for Europe sind damit auch die größte der drei Rechtsfraktionen. Mit 30 Abgeordneten der Le-Pen-Partei Rassemblement National kommt mehr als ein Drittel aus Frankreich. Neben den üblichen anti-EU-Positionen eint diese Fraktion vor allem eins: ihre Nähe zu Putin. Orbans Trip zu Wladimir Putin hat der Fraktion bereits frühzeitig viel Aufmerksamkeit gebracht, dürfte aber auch dazu führen, dass sie keine Kooperationspartner finden. Die Ausschuss- und Vizepräsidentenposten, die der Fraktion nach Größe zustehen würden, werden unter den anderen Fraktionen aufgeteilt. Mittelfristig könnten Le Pen und auch Orban versuchen, die Fraktion aus der Isolation zu führen. Ausgang ungewiss.

Zustand der Brandmauer: solide

Die europäische Schmuddelecke der AfD: Europe of Sovereign Nations

Lange sah es danach aus, als würde die AfD im Europaparlament ein einsames, fraktionsloses Dasein fristen. Die Eskapaden ihrer Spitzenkandidaten Krah und Bystron (Spionage und Korruption) hatten letztendlich dazu geführt, dass sie von Marine Le Pen bei der ID-Fraktion vor die Tür gesetzt wurden. Das hieß: Weniger Geld und weniger Redezeit im Plenum. Es war klar, dass weder EKR noch die Patriots for Europe die AfD in ihren eigenen Reihen dulden würden. Erst nach der Meldefrist gelang es der AfD, eine 25-köpfige Fraktion zusammenzuzimmern. Diese besteht in erster Linie aus rechtsextremen Abgeordneten – überwiegend aus Zentral- und Osteuropa, die bislang politisch heimatlos waren. Es ist absehbar, dass keine andere Fraktion im Europaparlament mit dieser AfD+ kooperieren wird. Der politische Einfluss geht gegen null. Wie lange sich die Fraktion überhaupt als solche hält, ist fraglich. Sollten mehr als zwei Abgeordnete sie verlassen, würde sie ihren Fraktionsstatus verlieren.

Zustand der Brandmauer: felsenfest