Das städtische Schweigen über Alexandra Rousi brechen – Redebeitrag von Grünen, SPD und Linken auf der Mahnwache

Liebe Paderborner:innen, liebe Anwesende,

Es ist gut, dass wir uns hier versammelt haben, um erneut an den brutalen und unfassbar grausamen Mord an Alexandra Rousi zu erinnern. Es ist gut und bleibt notwendig.

Liebe Familie Rousi, liebe Familie Cutis,

wir bitten Sie um Verzeihung und sprechen ihnen unser tiefes Mitgefühl aus. Sowohl für die fehlende Unterstützung der Familie gegen die rassistischen Beleidigungen vor der Tat, als auch die ausgebliebene Reaktion des Bedauerns nach der Tat.

Heute jährt sich zum dreißigsten Mal jener Tag, der im Leben der Familie Rousi alles veränderte. Wir alle müssen uns fragen, was hat dieser in unseren Augen rassistische Mord in unserer Stadtgesellschaft verändert? 

Wir stehen hier vor dem Rathaus, dem Zentrum der städtischen Demokratie, als Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen, der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und der Linken. Und wir als Ratsfraktionen werden gefragt, und fragen uns selbst, Was hat dieser in unseren Augen eindeutig rassistische Mord in unserer Stadtgesellschaft verändert?

Die frühen Neunziger Jahre gelten als die „Baseballschläger-Jahre“. Die Ausschreitungen in Eberswalde, Rostock-Lichtenhagen, Mölln, Solingen – um nur einige Orte zu nennen – spiegeln „Ausländerfeindlichkeit“ und den Alltagsrassismus in der bundesrepublikanischen Gesellschaft. Und wir verorten den Mord an Alexandra Rousi in diese Reihe der rassistischen Taten.

Vier bedrückende Zitate aus dem Spiegel 44/94 vermitteln etwas die Stimmung aus dem damaligen Paderborn:

  • „Ich zünde euch alle an“, hatte der Täter Hermann J. heute vor dreißig Jahren durchs Treppenhaus gerufen. 
  • Er hatte die Familie schon monatelang beleidigt und diskriminiert: „Ihr Scheißausländer“ – „geht doch dahin, wo ihr herkommt“. 

Darüber hatte sich die Familie zuvor bei städtischen Liegenschaftsamt beschwert.

Zwei schwer erträgliche Zitate von den Repräsentanten der Stadt mit Blick auf die Tat:

  • Der damalige Stadtdirektor: »Ich kann nicht den Ansatz einer fremdenfeindlichen Situation erkennen«,
  • Der damalige Bürgermeister: »Eine schreckliche Tat, gewiß«, »Doch das hätte genausogut einen Deutschen treffen können.«                                  

Was bedeutet dies aus heutiger Perspektive:

Es macht uns recht fassungslos und wütend, dass der grausame und brutale Anschlag damals, aber auch heute nicht als das anerkannt und bezeichnet wurde und wird, was er ist: Ein widerwärtiger Mord an einer Unschuldigen aus rassistischen Motiven!

1994 wurden die Tatumstände nach dem Tod des Täters nicht ausermittelt. Bei der Neubewertung durch das Landeskriminalamt wurde eine politisch motivierte Tat rechts, weder eindeutig bejaht, noch eindeutig verneint. In unseren Augen hätte zu einer engagierten Ermittlung zwingend gehört, die Familienangehörigen zu befragen. Wir sind als Vertreter der klar antifaschistischen Parteien SPD, Grüne und Linke uns einig:

Das war eindeutig ein rassistisch motivierter Mord.

Als solchen muss man ihn auch bezeichnen und die Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich mit rassistischen Gewalttaten beschäftigt, tut dies auch.

Gegenüber 1994 ist die Sensibilität in der Stadtgesellschaft und das politische Bewusstsein deutlich gewachsen, dass wir Diskriminierung, Rassismus und rechtsextremer Gewalt entschieden entgegentreten müssen. Das ist gut, ist aber ausbaufähig.

Es war ein niederträchtiger Mord, den wir nicht ungeschehen machen können, aber wir tragen im aktuellen Rat jetzt Verantwortung, dass wir die Opfer nicht vergessen.

  • Brechen wir das städtische Schweigen über Alexandra Rousi,
  • Nennen wir die Tat einen heimtückischen Mord aus rassistischen Motiven
  • Schaffen wir in Abstimmung mit der Familie Rousi einen würdigen Erinnerungsort.

Ein erster Schritt ist, dass auf Antrag der Grünen der Stadtrat beschlossen hat, zu prüfen, in welcher angemessenen Form an den Mord an Alexandra Rousi erinnert werden kann. Der Beschluss fiel fast einstimmig. Die Umsetzung werden wir kritisch begleiten und vorantreiben.

Für uns ist klar, dass das Gedenken nicht abstrakt sein kann, sondern die Gestaltung konkret an Alexandra Rousi erinnern muss. Die Erwartungen der überlebenden Familienangehörigen müssen in die Gestaltung einfließen. Die Erinnerung sollte aus unserer Sicht verknüpft sein mit einer klaren Handlungsaufforderung für Menschenwürde aktiv einzutreten und aufzustehen gegen Hetze und Gewalt.

So sind wir sehr dankbar für diese Mahnwache. Danke an das Bündnis gegen Rechts für diese Aktion. Wir danken allen die über die Jahre mit Mahnwachen, Workshops, Recherchen und Kunstinstallationen die Erinnerung an Alexandra Rousi wachgehalten haben.

Wir, Grüne, SPD und Linke, versprechen, uns weiterhin dafür stark zu machen, dass nie wieder eine rassistische Gewalttat nicht als solche benannt und verfolgt wird. Selbstverständlich kämpfen wir weiter aktiv gegen rechtsextreme Gedanken und Taten.

Bei der Mahnwache vor dem Rathaus am 14. Oktober sprachen Joe Menze, Franjo Henze und Ecki Steinhoff für die Ratsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, SPD und LInken.