Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Rat der Stadt Paderborn übt scharfe Kritik am Vorgehen der Stadtverwaltung bei der Planung und Einrichtung von Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren (U3). Nach eingehender Analyse der aktuellen Betreuungssituation und mehreren Anfragen an die Verwaltung kommen die Grünen zu dem Schluss, dass die Stadt Paderborn ohne ausreichende Datengrundlage agiert und über den tatsächlichen Bedarf an U3-Plätzen nicht orientiert ist.
„Wir haben gefragt, wie hoch der Bedarf an U3-Plätzen in Paderborn ist, und mussten erfahren, dass die Stadt die Zahlen nicht einmal erhebt. Die Stadtverwaltung kennt den tatsächlichen Bedarf für U3-Plätze nicht und kann deshalb auch keine angemessene Bedarfsplanung vornehmen“, erklärt Ratsherr Björn Bause-Engel, Mitglied des Jugendhilfeausschusses. „Wenn die Verwaltung nicht weiß, wie viele Ablehnungen über den Kita-Navigator verschickt werden, wie soll dann eine zielgerichtete Planung erfolgen?“
Die aktuelle Versorgungsquote bei Kita-Plätzen für Kinder unter drei Jahren liegt bei lediglich 39 Prozent. In den vergangenen fünf Jahren ist diese Quote um nur fünf Prozentpunkte gestiegen, was einem durchschnittlichen Wachstum von einem mageren Prozent pro Jahr entspricht. Gleichzeitig deuten die Vormerkungen im Kita-Navigator auf einen wesentlich höheren Bedarf hin.
„Die Diskrepanz zwischen der offiziellen Versorgungsquote von 39 Prozent in Kindertageseinrichtungen und dem tatsächlichen Bedarf ist alarmierend“, so Bause-Engel weiter. „Tatsächlich lässt sich aus den vorliegenden Daten ein Bedarf von mindestens 57 Prozent ableiten, wenn man allein die Vormerkungen im Kita-Navigator betrachtet. Es fehlen bei aktuell 1.434 Plätzen also mindestens 613 Plätze.“
Ein grundlegendes Problem ist das mangelhafte Datenmanagement. Auf die Frage der Grünen zu konkreten Zahlen antwortete die Verwaltung mit dem Hinweis, dass „sich die angefragten Daten und Fakten leider nicht so einfach aus dem Programm filtern lassen“ und dass „der Kita-Navigator kein Programm ist, das Datenstände speichert, da es von der aktuellen Nutzung lebt“.
„Paderborn brüstet sich damit, die Verfügbarkeit jedes einzelnen Parkplatzes im Inneren Ring ermitteln zu können, aber bei einer Kernaufgabe der Daseinsvorsorge wie der Kinderbetreuung misslingt dies so eklatant“, stellt Bause-Engel schockiert fest.
Besonders problematisch ist aus Sicht der Grünen, dass die Verwaltung den Bedarf schon als erfüllt betrachtet, wenn nur alle formal geltend gemachten Rechtsansprüche bedient werden – unabhängig davon, wie viele Familien tatsächlich eine Absage erhalten haben. „Wenn von 100 Kindern ohne Platz nur ein Elternpaar den bürokratischen Aufwand auf sich nimmt, den Rechtsanspruch geltend zu machen, und daraufhin einen Platz erhält, gilt der Bedarf für die Verwaltung als zu 100 Prozent erfüllt.
Diese Betrachtungsweise ignoriert die Realität“, betont Ratsfrau Birgitta Schröder, ebenfalls Mitglied des Jugendhilfeausschusses. „Es gibt viele Gründe, warum Eltern den Rechtsanspruch nicht anmelden, wenn sie bereits eine Ablehnung über den Kita-Navigator erhalten haben. Seien es eine mögliche Vermittlung im ganzen Stadtgebiet, Angst vor dem Verfahren oder auch schlicht Unkenntnis“, so Schröder weiter. Die Grünen vermuten, dass viele Familien, deren Kinder sehr von der frühzeitigen Förderung in der Kita profitieren würden, den Anspruch nicht geltend machen. Damit fielen ausgerechnet die Familien durchs Raster, bei denen frühkindliche Bildung und Entlastung der Eltern besonders wichtig seien.
„Grundsätzlich unterstützen wir den Kita-Navigator als Instrument der Platzvergabe“, stellt Schröder klar. „Aber wenn die Verwaltung daraus die falschen Schlüsse zieht und keinen akuten Handlungsbedarf bei der Schaffung neuer U3-Plätze sieht, dann läuft etwas grundlegend schief.“
Die Grünen empfehlen Eltern, im Zweifelsfall direkt den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz geltend zu machen, anstatt sich auf den Kita-Navigator zu verlassen. „Nur so wird der tatsächliche Bedarf sichtbar und die Stadt kann nicht länger behaupten, alle Bedarfe seien gedeckt“, resümiert Bause-Engel. „Wir fordern die Verwaltung auf, endlich ein solides Datenmanagement einzuführen und den U3-Ausbau deutlich zu beschleunigen. Familien brauchen Verlässlichkeit und Transparenz bei der Kinderbetreuung. Die aktuelle Situation ist für viele Eltern frustrierend und behindert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erheblich“, schließt Bause-Engel.